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Gläserner Bürger

|23.05.2005|

Gläserner Bürger - Fiktion oder Realität?

Eilentscheidung des Bundesverfassungsgerichts:
Finanzämter können ab 1. April 2005 Bankkonten kontrollieren

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe lehnte mehrere Anträge auf einstweilige Anordnung gegen das umstrittene Gesetz ab, teilte das höchste deutsche Gericht am Mittwoch in Karlsruhe mit.

Das Gesetz sollte ursprünglich nach dem Ablaufen der Amnestie für reuige Steuersünder Ende März in Kraft treten. Es erlaubt Finanzämtern, über eine Zentrale die Stammdaten eines Bankkunden zu ermitteln. Dazu zählen der Name, das Geburtsdatum, die Anschrift sowie die Zahl der Konten und die zuständigen Kreditinstitute. Erhärtet sich dadurch der Verdacht eines Steuerbetrugs, können die Finanzbehörden gezielt von den Banken eine Offenlegung der Konten verlangen. Auch das Sozialamt und die Arbeitsagenturen sollen Stammdaten bei allen inländischen Kreditinstituten abfragen können.

Die Kläger - mehrere Privatpersonen und die Volksbank Raesfeld - hatten mit den Anträgen erreichen wollen, dass das Gesetz bis zu einem Urteil über ihre eigentlichen Verfassungsbeschwerden außer Kraft gesetzt wird. Das Gericht stellte nun ausdrücklich fest, dass der Ausgang der Verfassungsbeschwerden selbst offen ist. Bei der in Eilverfahren üblichen Folgenabwägung seien die befürchteten Nachteile aber nicht so schwerwiegend, um eine einstweilige Anordnung zu erlassen.

Zustimmung erforderlich

Nach Protesten von Datenschützern, Politikern und Banken, die der Regierung vorwarfen, unter dem Deckmantel der Betrugsbekämpfung das Steuergeheimnis auszuhöhlen, hatte die Koalition ihr Vorhaben bereits etwas entschärft: So müssen Bürger nachträglich informiert werden, wenn der Staat auf ihr Konto geschaut hat.

Nach einem Bericht der "Neuen Ruhr/Neuen Rhein Zeitung" ist die Bundesregierung ihren Kritikern inzwischen erneut entgegengekommen. Demnach bemüht sich das Bundesfinanzministerium darum, dass nun doch nicht jeder beliebige Finanzbeamte auf Knopfdruck die Kontostammdaten potenzieller Steuersünder abrufen darf. Vorgesehen sei, dass die zuständigen Sachbearbeiter vor dem Kontenabruf stets das Einverständnis ihres Vorgesetzten einholen müssten.

Da das Bundesfinanzministerium diese Weisung allerdings nicht direkt an die Finanzämter durchreichen dürfe, seien die Finanzministerien der Länder von Berlin nun aufgefordert worden, eine bundesweit einheitliche Regelung zu erarbeiten. Im Gespräch sei ein Formblatt, auf dem die Finanzbeamten ihrem Vorgesetzen detailliert darlegen müssten, warum eine Kontenabfrage erfolgen solle.

Jour fixe

Obwohl als Plandatum der 1. April 2005 im Gesetz steht, wird aus technischen Gründen der automatisierte Zugriff wohl erst im Jahre 2006 gestartet werden können. Technische Probleme bei der Vernetzung sind für die Verschiebung verantwortlich. Dennoch beginnt der Kontenzugriff, wie die Finanzverwaltung mitteilt, bereits ab 1. April, auch wenn zunächst durch manuelle und nicht automatisierte Abfrage.

Informationelle Selbstbestimmung

Nachdem der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe mehrere Anträge auf einstweilige Anordnung gegen die umstrittenen Erweiterungen des "Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit" abgelehnt hat, stellt sich erneut die Frage nach der Gewichtung informationeller Selbstbestimmung -sie ist in der Verfassung verankert- und dem überwiegenden Interesse der Allgemeinheit. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedeutet für jeden Bürger Einschränkungen seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im überwiegenden Allgemeininteresse.

Wie so oft: "Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile" (Aristoteles 384 - 322 v. Chr.). So sind die Ergänzungen der §§ 92-93 der Abgabenordnung (AO) im Kontext zahlreicher andere Maßnahmen zu sehen, mit welchen der Staat seine Bürger "schützt und fördert". Seit September 2001 oft genutzte Begründung für Schutzmaßnahmen ist -teils präventive- Abwehr gegen drohenden Terrorismus. Und gegen Förderung - wer sollte dagegen etwas einzuwenden haben, auch wenn es hier um die "Förderung der Steuerehrlichkeit" geht? Versuchen wir objektiv und ehrlich zu sein: Geht's nicht jedem irgendwo gegen den Strich, dass

- Einkommensmillionäre exterritorial versteuern (d.h. z.B. in die Schweiz oder nach Monaco umsiedeln)?

- nach Firmenzusammenbrüchen mit zahlreichen betroffenen Arbeitnehmern, hohen Verbindlichkeiten sowie teils auch Steuer- und Sozialversicherungsabgabenschulden die Initiatoren wie Phönix aus der Asche ihre nächste Company gründen?

Aber rechtens soll bleiben, was Recht ist. Oft genug werden lediglich Gesetze und Vorschriften oder aber auch die dazwischen liegenden Lücken genutzt, um solche Ergebnisse zu erzielen.

Zur Erfüllung seiner Aufgaben für die Allgemeinheit benötigt jeder Staat Geld. Viel Geld. Nicht verwunderlich, dass seine Leistungen immer weiter reduziert werden, weil kaum noch finanzierbar. Auch nicht verwunderlich, dass er sich bemüht, seine Ertragsquellen -Steuereinnahmen und Abgaben- möglichst effizient abzuschöpfen.

weitere Quellen

Sehr detailliert, teils auch mit individueller Meinung und Wertung versehen sind die beiden folgenden Quellen ein mehr oder minder kurzes "Ansurfen" wert ...

dem Blog schnueffelstaat.de und
der Web-Site rundfunkgebuehrenzahler.de zum Thema "abgezockt"

Anmerkung August 2011:
Der Blog schnueffelstaat.de ist nicht mehr erreichbar
Interessant: Wer Schnüffelstaat googelt, erhält 39.700 Ergebnisse